Die Bildungskongregation des Vatikans hat das Dokument „MĂ€nnlich und weiblich schuf er sie“ veröffentlicht. Sie vertritt damit den Anspruch, einen „Dialog mit der Gendertheorie“ zu fĂŒhren, kommt aber ĂŒber einen hilflosen Monolog mit sich selbst nicht hinaus. GefĂ€hrlich wird diese Borniertheit an der Spitze aller katholischen Bildungseinrichtungen vor allem fĂŒr trans- und intergeschlechtliche Menschen.

Der Vatikan hat erkannt, dass sich in immer mehr LĂ€ndern eine PĂ€dagogik durchsetzt, die die Akzeptanz von Lesben und Schwulen, Bisexuellen, Trans*-Menschen und intergeschlechtlichen Personen zum Ziel hat. Durch diese „PĂ€dagogik der Vielfalt“ sieht die bĂŒrokratische Spitze der katholischen Kirche ihre eigene heteronormative Metaphysik der Familie gefĂ€hrdet und greift daher zur Waffe des „Dialogs“.

Das Dokument behauptet, einen Dialog mit der Gendertheorie fĂŒhren zu wollen, ist jedoch lediglich ein SelbstgesprĂ€ch des Vatikans. Kein_e einzige_r Vertreter_in der verschiedenen Spielarten von Gendertheorien wird zitiert oder benannt; auf kein einziges GesprĂ€ch mit Frauen oder LSBTIQ-Personen wird verwiesen; keine medizinischen, psychologischen oder sozialwissenschaftlichen Studien werden genannt. Die Verweise auf andere Veröffentlichungen haben eine Quote von 100% auf eigene Vatikan-Papiere. Angesichts dessen muss man die Behauptung, dass „Zuhören“ ein Teil der Methode sei, schlicht als Falschaussage zurĂŒckweisen.

HĂ€tten die Kurialen z.B. mit transidenten GlĂ€ubigen gesprochen, dann hĂ€tten sie unweigerlich merken mĂŒssen, dass ihre Kritik an der GeschlechtsidentitĂ€t als „Wahl“ oder einer beliebigen Willensentscheidung an der psychischen Situation von Trans-Personen völlig vorbeigeht. Die anthropologische Vorstellung der Kongregation als Einheit von Körper und Seele mutiert deswegen zu einer zweigeschlechtlichen Zwangsordnung, die das körperliche Geschlecht dem Geschlechtsempfinden ĂŒberordnet.

Was der mehrfach verwendete Begriff „SexualitĂ€tsidentitĂ€t“ bedeuten soll, vermag sich durch den Text nicht zu erschließen und signalisiert lediglich die Inkompetenz im Umgang mit den fachlichen Begriffen der Gendertheorie(n).

Der absolute Tiefpunkt ist jedoch der Aufruf zur Verletzung der Menschenrechte von intersexuellen Menschen unter der Überschrift „Rationale Argumente“. Nr. 24 lautet:

„Bei FĂ€llen, in denen das körperliche Geschlecht einer Person nicht klar bestimmt ist, sind es professionelle Mediziner, die einen therapeutischen Eingriff vornehmen können. In solchen Situationen können Eltern keine zufĂ€llige Wahl in der Sache treffen, geschweige denn die Gesellschaft. Stattdessen sollte die medizinische Wissenschaft mit rein therapeutischen Zielen handeln und auf die am wenigsten invasive Weise, auf der Basis von objektiven Parametern und mit dem Blick darauf, die konstitutive IdentitĂ€t der Person herzustellen.“

Dazu stellt der katholische Theologe Dr. Michael Brinkschröder fest:
„Intersexuelle Menschen kĂ€mpfen weltweit gegen die Zuweisung eines körperlichen Geschlechts durch Ärzte und brandmarken sie als Körperverletzung und GenitalverstĂŒmmelung; Menschenrechtsorganisationen kritisieren solche medizinisch ĂŒberflĂŒssigen Genitaloperationen als Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit − der Vatikan dagegen zieht das Selbstbestimmungsrecht von intersexuellen Menschen noch nicht einmal in Betracht und fordert unmissverstĂ€ndlich zu diesen Menschenrechtsverletzungen auf. Diese Ignoranz ist eine Schande fĂŒr die ganze katholische Kirche. Der PrĂ€fekt der Bildungskongregation muss zurĂŒcktreten!“

HuK-Sprecher Thomas Pöschl sagt dazu:
„An dieser Stelle offenbart sich die ganze WidersprĂŒchlichkeit des vatikanischen Denkens. Obwohl es intergeschlechtliche Menschen von Natur aus gibt und Wissenschaftler_innen dies feststellen, verlangt die Kirche bei ihnen, dass sie auf Gedeih und Verderb in die Schubladen der zwei Geschlechter gepresst werden. Was ist das fĂŒr eine Schöpfungstheologie, wo doch schon Jesus wusste, dass es 'Eunuchen vom Mutterleib an' gab (MatthĂ€us 19,12) und somit mehr als bloß mĂ€nnlich und weiblich?“

Nach Papst Franziskus ist es ein Merkmal von Gender„ideologien“, dass sie „sich selbst als absolut und unhinterfragbar behaupten und dadurch Dialog ausschließen.“ Nach diesem Kriterium handelt es sich bei dem vorgelegten Dokument selbst um einen lupenreinen Fall einer solchen Ideologie.

Die Vielfalt der Schöpfung Gottes will die Bildungskongregation zu einer Zwangsordnung der Zweigeschlechtlichkeit umgestalten − nach ihrem eigenen Bilde. Damit stellt sie Gott ins Abseits und beschĂ€digt die AutoritĂ€t des katholischen Lehramts ein weiteres Mal. Erst wenn das Lehramt zu einem echten Dialog mit Frauen und LSBTI-Personen bereit ist, kann es diese AbwĂ€rtsentwicklung wenden.

Das Dokument liegt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser PM nur auf Englisch vor. Die Übersetzungen stammen von Michael Brinkschröder.