Beziehung & Familie
Beziehung & Familie
Das Thema Beziehung und Familie ist größer und breiter gefächert als die Ehe für alle. Menschliche Liebe findet viele Wege, sich zu äußern und wirksam zu werden. Homosexuelle waren bis vor kurzem ausgeschlossen von staatlich oder gar kirchlich anerkannten und unterstützten Beziehungs- und Partnerschaftsformen.
Dies hatte zur Folge, dass Schwule und Lesben sehr unterschiedliche Lösungen für sich fanden, um Beziehungen und Partnerschaften zu leben. Manche versuchten, auf ihre Weise dem Modell der heterosexuellen, auf Treue und Langfristigkeit basierenden Paarbeziehung zu folgen. Dies gab, wenn der geeignete Partner oder die geeignete Partnerin dazu gefunden werden konnte, nach innen Halt und Schutz. Nach außen war dies lange Zeit aber schwer durchzuhalten gegen eventuelle Anfeindungen aus einer intoleranten Gesellschaft, gegen eine rechtlich völlig unabgesicherte Situation, die Partner_innen als Fremde definierte, gegen eine Kirche, die selbst die monogamste und unauffälligste homosexuelle Paarbeziehung als Sünde betrachtete. Nicht selten wurden solche Beziehungen heimlich gelebt und nach außen hin verschwiegen.
Aber auch innerhalb der homosexuellen Community gab es Anfeindungen von Gruppen, die für sich die Konsequenz gezogen hatten, radikal andere Wege von Beziehung, Partnerschaft und Sexualität zu beschreiten: von Lebensabschnittspartnerschaften über offene Beziehungsformen ohne Vorgabe körperlich-sexueller Treue, über Beziehungen mit mehreren Partner_innen, über das Leben in einer heterosexuellen Ehe mit einem homosexuellen Doppelleben nebenher bis hin zur völligen Absage an dauerhafte Beziehungen und zu einer Bejahung eines promisken Lebensstils. Dieser wurde nicht selten auch als politisches Statement gegen ein gesellschaftlich-heteronormatives Diktat empfunden, von dem Homosexuelle gleichzeitig ausgeschlossen waren. Aus dieser Perspektive galten Homosexuelle, die dem heteronormativen Vorbild folgten, oftmals als Verräter einer selbstbewussten homosexuellen Emanzipationsbewegung.
Solche Grabenkämpfe sind heute weitgehend abgeflacht. Gesamtgesellschaftliche Veränderungen haben dazu geführt, dass nicht nur innerhalb der LSBT-Community, sondern auch bei der heterosexuellen Bevölkerung viel stärker von der Vielfalt möglicher Lebensformen, Partnerschaftsmodellen und Familienkonstellationen Kenntnis genommen wird. Regenbogenfamilien, freie Partnerschaften, polyamoröse Beziehungen, Mehrgenerationenprojekte, selbstbewusstes Single-Dasein etc. machen heute die Lebenswirklichkeit vieler Menschen aus. Häufig wird dadurch auf die Entwicklungen unserer Gesellschaft reagiert, die zunehmend vom Zwang zu Individualisierung, Flexibilität und Mobilität geprägt ist.
Unterschiedliche Lebensmodelle gegeneinander auszuspielen sollte heute nicht mehr aktuell sein. Dennoch gibt es viele Menschen, die Angst davor haben, eine Vielfalt von Lebensformen und Beziehungsmodellen anzuerkennen. Sie fürchten sich vor dem Verlust sozialer Sicherheiten und klarer Strukturen, die ihnen Halt geben.
Die HuK setzt sich dafür ein, dass solche Ängste abgebaut werden können oder gar nicht erst entstehen. Menschen, die für sich zu anderen Schlüssen kommen, in welchen familiären Strukturen sie leben wollen, als ich selber, nehmen mir in meinen Definitionen und Entscheidungen nichts weg. Der Einsatz für eine völlige rechtliche und kirchliche Gleichstellung homosexueller Paarbeziehungen im Sinne der Ehe für alleschließt nicht aus, dass wir auch andere Beziehungsformen wertschätzen und unterstützen. Welche sich nicht in einer der heterosexuellen Ehe ähnlichen Ehe für alle sehen, sollen sich dafür nicht rechtfertigen müssen und die ihnen gemäßen Beziehungs- und Familienformen eingehen können. Welche in einer Ehe für alle ihr Glück sehen, können anderen Menschen zugestehen, andere Partnerschaftsmodelle zu leben, ohne Angst davor zu haben, dass ihnen dadurch Sicherheit genommen werden würde.
Polyamorie: Unterstützenswerte Beziehungsform oder Untergang des Abendlandes?
Der Text entstand als Zusammenfassung einer Arbeitsgruppe, die sich bei der Frühjahrstagung 2014 (Von Regenbogenfamilien bis Polyamorie – Wir sind Familie!) mit dem Thema Polyamorie auseinandersetzte. In dieser Arbeitsgruppe wurde der Versuch unternommen, möglichst vorurteilsfreie Bewertungskriterien für solche Beziehungsformen zu finden, die dennoch auf einem christlichen Fundament fußen.
Links zum Weiterlesen
Hier findet Ihr Links zu weiterführenden Texten und Literaturempfehlungen zum Thema Familie und Beziehung, unter anderem zur Orientierungshilfe "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken" der EKD aus dem Jahr 2013.