Was bedeuten die Worte?

Von Reinhold Weicker, Paderborn
Mai 2009

Kann man mit der Wahl von Worten Politik betreiben, kann man damit â€“ negativ ausgedrĂŒckt – manipulieren? Zumindest die Gefahr besteht, und der Streit um Worte im (homo-)sexuellen Bereich ist da keine Ausnahme. Es gab und gibt hier fĂŒr – ja, wie drĂŒcke ich das neutral aus? – Anstrengungen, die sexuelle, speziell die homosexuelle Orientierung zu Ă€ndern, unterschiedliche Bezeichnungen:

  • Umpolung: Ein Ă€lterer Ausdruck, der im allgemeinen Sprachgebrauch vermutlich oft ĂŒblich ist und den auch die HuK in einer Ă€lteren Entschließung verwendet hat.
    Organisationen „auf der anderen Seite” empfinden die Bezeichnung als negativ diskriminierend; deshalb verwende ich ihn seit einiger Zeit auch nicht mehr bzw. nur noch mit ErklĂ€rung. Es gab einen Versuch von wuestenstrom e. V., den Gebrauch des Wortes (in Bezug auf die eigene Organisation) gerichtlich verbieten zu lassen; das zustĂ€ndige Gericht hat dies aber abgelehnt und hat sich als BegrĂŒndung auf die Meinungsfreiheit berufen. Welche Wortwahl die „richtige” ist, darĂŒber kann auch ein Gericht nicht entscheiden. Die geschieht meiner Kenntnis nach durch den allgemeinen Sprachgebrauch, oder durch Lexika wie den Duden oder neuerdings stĂ€rker das Online-Lexikon Wikipedia.
  • Konversionstherapie (englisch „conversion therapy”): Meinem VerstĂ€ndnis nach ein Versuch, das Wort „Umpolung” durch etwas neutraler, freundlicher Klingendes zu ersetzen. Wird in Wikipedia verwendet, siehe [4] und [5]. Im Prinzip könnte das Wort fĂŒr jede beliebige Konversion stehen; es wird aber derzeit fast nur im Zusammenhang mit Änderung der sexuellen Orientierung verwendet. Und Menschen oder Organisationen, die sie fordern, verwenden es nur in der Richtung vom Homosexuellen zum Heterosexuellen. Der Wortteil „-therapie” suggeriert, dass ein bestimmter Zustand therapiebedĂŒrftig, also unerwĂŒnscht sei; er suggeriert auch etwas wie Krankheit. Daran hat APA, der US-amerikanische Fachverband fĂŒr Psychiatrie, angeknĂŒft, als er 1973 und dann noch einmal 2000 sinngemĂ€ĂŸ erklĂ€rte „HomosexualitĂ€t ist keine Krankheit, da gibt es nichts zu therapieren”, siehe neuere Klarstellungen der APA (2000 und 2009).
  • Reparativtherapie (englisch „reparative therapy”): Wird in den letzten Jahren vor allem von DIJ G, dem „Deutschen Institut fĂŒr Jugend und Gesellschaft”, propagiert.
    Dieses „Institut” ist nicht etwa als Fach-Institut Teil einer auf Wissenschaftlichkeit verpflichteten UniversitĂ€t, sondern eine selbstĂ€ndige Einrichtung, die sich einen wissenschaftlich klingenden Namen gegeben hat. Das DIJG hat nach eigener Darstellung sich frĂŒher auch mit anderen Themen beschĂ€ftigt; in den letzten Jahren ist es aber ein Zentrum der Argumentation gegen die rechtliche oder auch kirchliche Gleichberechtigung von Homosexuellen geworden.

Was bedeuter „Reparativtherapie”?

Der unbefangenen Leser meint vermutlich: „Da ist etwas zu reparieren, und es wird durch Therapie repariert”. Diese Deutung ist vor allem nahe liegend, wenn man einbezieht, dass das Wort durch Übersetzung aus dem Englischen entstanden ist: „reparative therapy”, das Wort „reparative” ist Adjektiv. Also repariert die Therapie etwas.

DIJG argumentiert in den letzten Jahren, dass man „Reparativtherapie” befĂŒrworte. In dem Vorabdruck eines neueren Artikels von Joseph Nicolosi, dem aktiven Mitglied und frĂŒheren PrĂ€sidenten der Organisation NARTH (National Asociation for Research and Therapy of Homosexuals) in den USA, heißt es, er sei „zu der Auffassung gekommen, dass homosexuelle Akte eine Art 'Reparation' sind” [3]. Also nicht die Therapie sei reparativ, sondern die ihr vorausgehende HomosexualitĂ€t sei der Versuch, etwas zu reparieren.

Diese Definition lĂ€sst sich schwer durchhalten, wenn man den Buchtitel seines Standardwerks von 1991 betrachtet; Nicolosi hat das Wort schließlich in die Debatte eingefĂŒhrt: Der Titel von 1991 „Reparative Therapy of Male Homosexuality: A New Clinical Approach” deutet in keiner Weise darauf hin, dass etwas Anderes als die Therapie „reparativ” sei.

Und selbst wenn man, wie Nicolosi in neueren Artikeln und auch das DIJG es neuerdings tun, die homosexuelle Orientierung selbst als „reparativ”, also als Versuch, etwas zu reparieren (etwa die fehlende MĂ€nnlichkeit) beschreibt, dann ist dies nur eine Zwischenstation: Die Therapie soll gerade diesen, als defizitĂ€r empfundenen Zustand beheben: „Das DIJG unterstĂŒtzt die Reparativtherapie, eine erprobte und bewĂ€hrte Therapieform, die das Ziel hat, homosexuell empfindende Menschen auf ihrem selbstbestimmten Weg der VerĂ€nderung hin zur Entwicklung ihres heterosexuellen Potentials therapeutisch zu begleiten” heißt es in einer Stellungnahme „Unsere Position” des DIJG [1].  Es ist klar, dass das „heterosexuelle Potential” das Ziel ist, dass also nach wie vor etwas als defizitĂ€r und korrekturbedĂŒrftig empfunden wird. Andere Äußerungen von Dr. Christl Vonholdt gehen in dieselbe Richtung. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2009 hat der LSVD es Ă€hnlich ausgedrĂŒckt: „Wer der Meinung ist, dass es verschiedene sexuelle IdentitĂ€ten gibt, der wird den Ausdruck ‚Konversionstherapie’ oder ‚Umpolungstherapie’ gebrauchen. Wer dagegen wie die DIJG und ‚wuǝstenstrom’ der Meinung ist, dass alle Menschen grundsĂ€tzlich heterosexuell sind ... , der wird den Ausdruck ‚Reparativtherapie’ gebrauchen und den Ausdruck ‚Umpolung’ als falsch zurĂŒckweisen” [2].

Zusammenfassung

Viel LÀrm um Nichts. Man möchte wissenschaftlich erscheinen und benutzt neue Worte; das Ziel ist aber dasselbe geblieben.

  1. DIJG: Stellungnahme zur PresseerklĂ€rung des AntidiskriminierungsbĂŒros in Leipzig
  2. LSVD-Pressemitteilung (03.05.2009): Die Marburger CDU verteidigt den Kongress der APS mit unzutreffenden Behauptungen
  3. Joseph Nicolosi: Die Bedeutung der gleichgeschlechtlichen Anziehung
  4. Wikipedia (deutsch) zum Stichwort Konversionstherapie
  5. Wikipedia (englisch) zum Stichwort Conversion Therapy